Gesetzt den Fall, Schrotkugeln könnten erst miteinander reden, wenn sie aus der engen Hülse befreit sind und das Gespräch würde im Moment ihres Auftreffens enden – was sehr wahrscheinlich ist -, bliebe im Verhältnis zur Dauer ihres stummen Nebeneinanders in der Hülse und der vermutlich endgültigen Trennung nach dem Aufschlag für einen Austausch ein nur kurzes Zeitfenster. Auch ein Thema wäre nicht leicht zu finden. Sowohl aufgrund des Zeitdrucks als auch in Ermangelung irgendwelcher persönlicher Erlebnisse oder berichtenswerter Ereignisse während des relativ langen Aufenthalts in der Hülse bliebe nur das in der jüngsten gemeinsamen Vergangenheit liegende, prägende Erlebnis der Explosion, die aus ihr resultierende Verformung und der gegenwärtige Flug:

„Wie ein Herz!“

„Bitte?“

„Du siehst aus wie ein Herz!“

„Was ist ein Herz?“

Die Tragik der Schrotkugeln bestünde darin, dass drängende, Sinn stiftende Fragen nicht erschöpfend erörtert werden könnten – sprich: Fragen nach dem Woher und Wohin. Schon die wichtigste Voraussetzung für ein erhellendes Gespräch – ein gemeinsamer Begriffskanon – wäre nicht gegeben. So bliebe es wohl bei Äußerlichkeiten:

„Na, so doppelte Tropfenform …“

„Was ist ein Tropfen?“

Aufschlag.

(November 2018, Foto: Arnim Beutel)

 

 

Die Ausstattung für die eigene Inszenierung zu entwerfen, ist eine Herausforderung. Wie konkret muss es die – von den Autoren gewünschte – Pariser Wohnung sein? Was brauchen die Schauspieler zum Spiel und was wäre bloße Dekoration? Wie stützt der Raum meine Idee zum Stück und die Spielweise, die ich mir wünsche? Wie rahmt die Bühne das Spiel, ohne es zu dominieren? Dazu kommen praktische Überlegungen: Weil die Produktion auch open air gezeigt werden sollte, musste die Bühne drinnen und draußen funktionieren. Die Idee war, einen autarken Raum zu schaffen, der wie eine Kiste auf jede Bühne aber auch auf die Wiese gestellt werden kann – also, ein Podest und darauf ein aufgemaltes Zimmer mit gemaltem Fenster, gemaltem Stuck, gemaltem Bücherregal (darin eine gemalte Stereoanlage, die von den Schauspielern wie eine echte benutzt wird) Treffen wir eine bewußt naive und einfache Verabredung mit dem Zuschauer – es ist (ein) Spiel, keine Abbildung … Nur was zum Spiel unbedingt nötig ist, steht auf der Bühne – wir kamen mit drei „echten“ Möbeln aus!

Die Zusammenarbeit mit den Werkstätten des Norharzer Städtebundtheaters – besonders mit dem Malsaal – war hervorragend! Und plötzlich stand, was zuerst nur Idee, Zeichnung und Modell war in voller Größe auf der Neuen Bühne in Quedlinburg. Für mich ein magischer Moment …

20.08.2018 (Fotos: Arnim Beutel)