Tschick
von Wolfgang Herrndorf (Bühnenfassung Robert Koall)
Maik und Tschick, zwei irre Typen auf dem Weg ins Leben: Das Mittelsächsische Theater bringt „Tschick“ von Wolfgang Herrndorf auf die Bühne.
Freiberg. Was für Jungs, frech wie Oskar und erst 14. Frisch und aufmüpfig, legen sie den Turbo ein, um ihrer bürgerlich piefigen, herzlos eingefrorenen Welt zwischen Elternhaus und Schule zu entkommen. Sie entdecken das Leben und sich selbst. Am Ende stehen da zwei Freunde, die füreinander einstehen und an das Gute im Menschen glauben. Wolfgang Herrndorfs Jugendroman hat die Kraft von Ulrich Plenzdorfs „Die neuen Leiden des jungen W.“ (1972) und Mark Twains „Huckleberry Finn“, nur: Tschick und Maik sind von hier und heute, ein Bild ihrer Generation. Arnim Beutels Inszenierung in der Studiobühne des Theaters Freiberg bekam Riesenbeifall, zu Recht und trotz der Ausführlichkeit, mit der sich die Protagonisten in über zwei Stunden durch eine Vielzahl von Abenteuern erzählen. Doch das leidenschaftliche Spiel fördert die starke Geschichte brillant zu Tage und fesselt die anwesenden Schulklassen zur Premiere am Donnerstag so intensiv, dass keinerlei Unruhe aufkommt. Denn auch zu lachen gab es reichlich, sei es über die Karikatur des Lehrers (Andreas Pannach), die überzogenen Frauentypen von Conny Grotsch oder die lebenslustig kecke Isa (Susanna Voß), die sich die Bluse vom Leib reißt und Maik in allergrößte Verlegenheit stürzt. Frecher Jargon und authentischer Ton machen das Stück zur Fundgrube.
Erzählt wird aus der Perspektive von Maik (Christoph Wünsch), der Rückschau auf diesen verrückten Sommer hält, in dem er einen, seinen besten Freund fand. Der steht plötzlich in der Klasse, und der „Condor von Marzahn“, Maik, entdeckt in Tschick den Lichtblick in seiner verfahrenen Situation. Ein feinfühliger Typ ist Maik, trotz seiner schwierigen Eltern. Die Mutter trinkt und hält still, der Vater ist ein Prügelvater, eine Karikatur kleinbürgerlichen Anstands.
Die Schauplätze werden durchweg improvisiert mit allerwenigsten Mitteln. Zwei Stühle werden zum geklauten Lada, auf denen die Abenteuer beginnen. Der Badesee: ein Tuch. Die Fantasie erlaubt dennoch den schönsten, klarsten Blick in die kühlen Fluten. Ein enger schwarzer Kasten mit weißem Ledersofa, später Podest zum Raufklettern, beschreibt die enge verlogene Welt, in der Maik aufwächst.
Das größte Risiko der Inszenierung war vielleicht: Wie kommen zwei erwachsene Schauspieler mit der Darstellung 14-Jähriger klar? Gerade hier waren keinerlei Defizite zu bemerken. Martin Ennulat als Tschick und Christoph Wünsch als Maik halten den naiven Blick der Jugend, die Kühnheit ihrer Gedankenwelt, die Neugier, mit der sie sich ins Abenteuer stürzen, konsequent durch. Das kindliche Erwachen gelingt beiden. Martin Ennulat wandert sicher auf dem schmalen Grat des russischen Migrantenkindes und zeichnet einen schweigsamen und zuverlässigen Freund.
Wenn beide zur Musik von Richard Clayderman im „Auto“ im Takt die Augen verdrehen, synchron über kurvenreiche Strecken hin- und herfliegen, spürt man bei aller Ironie das tiefe Einverständnis der Freunde.
erschienen am 07.03.2015 ( Von Marianne Schultz )
Inszenierung / Ausstattung: | Arnim Beutel |
Tschick: | Martin Ennulat |
Maik Klingenberg: | Christoph Wünsch |
Frau Klingenberg (u.a.): | Conny Grotsch |
Herr Klingenberg (u.a.): | Andreas Pannach |
Fotos: | Jörg Metzner |
Premiere: | 5. März 2015 |
Mittelsächsisches Theater |