Die 81 Min. des Fräulein A.

von Lothar Trolle

Schöne Wanderung durch Welten, Seelen und einen Text

Faszinierend! Theater braucht wenig – und vermag doch zu verzaubern. Aber was heißt wenig? Es ist das, worauf es ankommt: Ein Raum, geschicktes Licht, sehr guter Text, eine Schauspielerin, die den Text nicht nur spielt, sondern auf ihm spielt wie auf einem Instrument (dabei Figuren erblühen lässt – und selbst erblüht).
So führt Schauspielerin Frederike Duggen (Regie Arnim Beutel) den Prosa-Brocken Die 81 Min. des Fräulein Julie von Lothar Trolle am Theater Vorpommern auf, zerlegt mit fröhlicher Spiellust dieses Text-Konstrukt aus überlangen, verschachtelten Sätzen und Klammerausdrücken, in dem Szenenbeschreibung und Figurentext untrennbar vermischt sind. Mit schelmisch-bedeutungsvollen Seitenblicken zum Publikum wandert sie zielstrebig von einem Punkt der Bühne zum anderen, das heißt von einem Komma im Text (oder einer Klammer auf) zum nächsten (oder zur Klammer zu), wandert weiter, geht zurück, nach vorn oder hinten, um eine Figur sprechen zu lassen. Und erntet am Ende Bravos.
… die Supermarktkassiererin aus Lothar Trolles Stück … ist während ihres harten und unterbezahlten Achteinhalb-Stunden-Tages dem Himmel am nächsten – dank sprudelnder Fantasie, in der die Weltliteratur mit Zeus und Noah, Odysseus und König Lear wildeste Purzelbäume schlägt – so dass man künftig jede Kassiererin mit gnädige Frau anreden möchte.

Bravo! (Dietrich Pätzold) Ostsee-Zeitung, 24.12.2016

Artikel in „Theater der Zeit“

 

Inszenierung: Arnim Beutel
Es spielt: Frederike Duggen
Soufflage: Frederike Steinbrückner
Dramaturgie: Hannes Hametner
Premiere: 22. Dezember 2016, Theater Vorpommern
Fotos: Vincent Leifer