Der Weltverbesserer
von Thomas Bernhard
Ein-Mann-Show eines „Scheusals“
Er ist ein Scheusal, und er weiß es. Am Samstag feierte das Hessische Landestheater Premiere mit Thomas Bernhards „Der Weltverbesserer“. Anschauen!
Marburg. Einsam hockt der Weltverbesserer in seinem weißen Nachthemd auf einem Lehnstuhl. Es ist eher ein Thron – und mindestens der steht ihm doch zu. Die Ehrenkette der Stadt Frankfurt hat er schon. Jetzt soll er noch Ehrendoktor werden. Schließlich hat er ein Traktat zur Verbesserung der Welt geschrieben, das die Abschaffung der Welt vorsieht. Es hat ihm Ruhm gebracht und Einnahmen. Doch niemand außer ihm versteht seine Abhandlung.
Alles bereitet dem Weltverbesserer Verdruss. Das Buch, das er gerade liest. Das Wetter, die Mäuse im Haus, die Dummheit der Welt, die Natur, der Süden, die Stadt, in der er lebt – überhaupt jede Stadt und ganz besonders Interlaken. Er hasst die Schweiz. Die Schweiz ist schuld an seinem Zustand, an seinen vielen vermeintlichen Gebrechen. Und er verabscheut die Menschen, ganz besonders die Frau, die er seit 20 Jahren herumscheucht, der er dauernd einander widersprechende Befehle hinterher schreit. Er nennt sie „seine Lebensgefährtin“, sein „notwendiges Übel“ und „verlogene Ratte“. Und sie nimmt alles hin. Jürgen Helmut Keuchel spielt diesen Misanthropen aus der Feder des Österreichers Thomas Bernhard, der selbst als äußerst schwierige Persönlichkeit galt. Bernhard sagte einmal, er habe seine Stücke immer nur für Schauspieler, nie für das Publikum geschrieben. „Der Weltverbesserer“ war gedacht für Bernhard Minetti – „wen sonst“. Erst nach Minettis Tod hat der störrische Autor das Stück auch für andere Schauspieler freigegeben hat. Jetzt spricht, flüstert, schreit und stöhnt Jürgen Helmut Keuchel diesen großen Monolog eines Mannes, der in seiner Eitelkeit nur schwer zu ertragen ist. Dennoch macht es ungeheuren Spaß, Keuchel dabei zuzuschauen, denn „Der Weltverbesserer“ ist eine witzige Tragödie (oder tragische Komödie) über einen gelehrten Idioten. 80 Minuten spricht fast nur Keuchel. Es ist eine unglaubliche Menge Text, die er bewältigt – noch dazu schwieriger Text, weil der Weltverbesserer permanent die Themen wechselt, während er auf die Honoratioren wartet, die ihm die Ehrendoktorwürde überreichen. Die Frau, mit einer geradezu teuflischen Engelsgeduld, gespielt von Insa Jebens, ist ein Spiegel dieses Egomanen. Man fragt sich vergeblich, was die beiden aneinanderkettet.
Regisseur Arnim Beutel und Ausstatterin Sabine Pommerening siedeln den „Weltverbesserer“ auf einer schmucklosen weißen, sich nach hinten verengenden Bühne an. Alles ist dem monologisierenden Haustyrannen untergeordnet. Wer Schauspieler-Stücke mag, sollte sich Jürgen Helmut Keuchel nicht entgehen lassen.
Oberhessische Presse, 12. September 2017 (Uwe Badouin)
Inszenierung: | Arnim Beutel |
Ausstattung: | Sabine Pommerening |
Dramaturgie: | Franz Burkhard |
Regieassistenz / Inspizienz: | Twyla Zuschneid |
Soufflage | Bernd Kruse |
Es spielen: | |
Der Weltverbesserer: | Jürgen Keuchel |
Die Frau: | Inga Jebens |
Fotos: | Andreas Maria Schäfer |
Premiere: | 9. September 2017 |
Theater Marburg |